Freitag, 15. April 2016

FC Kopenhagen - Bröndby IF

FC Kopenhagen - Bröndby IF 1:1
6.4.16 / DBU Pokalen Halbfinale Hinspiel / Telia parken / 20 000 Zuschauer

Das Derby in der dänischen Hauptstadt stand immer wieder auf der To- Do- Liste. Seit meinem letzten Besuch bei Bröndby – FCK sind schon acht Jahre vergangen. Nun bot sich im April gleich drei Mal die Gelegenheit, zweimal im Pokal und einmal in der Liga. Als die Spiele auch bei uns endlich alle  fix terminiert waren blieb nur noch das Hinspiel im dänischen Pokal an einem Mittwochabend im Parken übrig. Nach einigen organisatorischen Problemen fanden sich noch zwei Mitfahrer für diesen Kurztrip. Dafür musste wieder ordentlich im Dienstplan rumgetrickst werden, aber dafür konnte bereits am Dienstagabend nach Feierabend gestartet werden. Da wir ja alle nicht mehr die jüngsten sind buchten wir uns in Flensburg für eine Nacht ins Flensbed Hostel ein. Die sechs Stunden Schlaf und ein ordentliches Frühstück waren es allemal wert. Weiter ging es die restlichen 330 Kilometer abreißen. An der Grenze dann die erwarteten Kontrollen, wobei nur der Fahrer kurz überprüft wurde. Wir fuhren über die Große-Belt-Brücke nach Kopenhagen. 33 Euro werden pro Überfahrt fällig, aber im Gegensatz zur Variante mit der Fähre ist man hier nicht an irgendwelche festen Zeiten gebunden.
Gegen Mittag erreichten wir das Parken Stadion im Stadtteil Österbro und fanden schließlich ein kleines Parkhaus in unmittelbarer Nähe zum Stadion. Nach einigen Problemen mit dem Parkautomaten, welcher unsere Kreditkarten hartnäckig ablehnte mussten wir uns mit Dänischen Kronen versorgen und diese in einem Supermarkt in Kleingeld wechseln. Irgendwann war auch diese Hürde genommen und wir machten uns auf den Weg zur nächsten Bahnstation. Viel Zeit zum Abklappern diverser Sehenswürdigkeiten hatten wir nun leider nicht mehr. Zunächst hetzten wir zur kleinen Meerjungfrau, dem Wahrzeichen der Stadt. Die kleine unspektakuläre Bronzestatur an der Uferpromenade ist ein absoluter Touri-Magnet, aber so richtig nachvollziehen kann ich das ehrlich gesagt nicht. Egal, pflichtbewusst drückten auch wir ein paar Mal auf den Auslöser und fuhren dann mit dem Zug weiter bis zum Hauptbahnhof. Nun blieben uns keine zwei Stunden mehr für die City. Es reichte für einen strammen Fußmarsch durch die Einkaufsstraße bis zum Nyhavn, um dort bei Bier und Polser noch etwas rumzugammeln. Leider zeigte sich sowohl das Wetter, als auch die Stadt nicht von ihrer besten Seite, was den viel zu kurzen Aufenthalt verschmerzen ließ. Zum einen regnete es immer wieder ein bisschen und zum anderen war praktisch ganz Kopenhagen eine Baustelle.
Gegen 16 Uhr stiegen wir wieder in die Metro und fuhren zum Österport, wo sich eine halbe Stunde später die Anhänger von Bröndby IF zum Marsch sammeln sollten. Von eben diesem Aufzug bekamen wir nicht wirklich viel mit, da die etwa 1000 Gästefans irgendwo Abseits der Hauptstraße entlanggeführt wurden. Die Ankunft am Stadion hingegen erlebten wir hautnah, denn plötzlich kam der motivierte Mob an einem kleinen Platz in Stadionnähe direkt auf uns zu. Dabei detonierten extrem laute Böller und Fackeln würden angerissen. Vermummte liefen rechts und links an uns vorbei. Das trieb den Puls in die Höhe und versetzte auch uns in Derbystimmung. 
Die Einlasskontrollen waren sehr lasch und oberflächlich und unsere Plätze für umgerechnet 15 Euro im Unterrang der Gegentribüne gewährleisteten eine gute Sicht auf Heimseite und Gästeblock. Bereits eine gute halbe Stunde vor dem Anpfiff lieferten sich beide Seiten den ersten lautstarken Schlagabtausch. Die Gäste heizten die Stimmung mit mehreren Vorsängern und drei Trommeln ordentlich an. Eine Choreographie wurde auf beiden Seiten vorbereitet.








Das Parken Stadion wirkt von innen durchaus imposant und kompakt. Vier große Einzeltribünen, davon drei mit Ober- und Unterrang bieten Platz für 38 076 Zuschauer. Eine Hintertorseite ist für Gästefans vorgesehen und nur im unteren Drittel mit Sitzschalen ausgestattet. Dahinter befindet sich eine große Fensterfassade hinter welcher sich zahlreiche Büro- und Konferenzräume befinden. Eingeweiht wurde das größte Stadion des Landes 1992 (Gründungsjahr vom FC Kopenhagen) mit einem Länderspiel. Seit dem Eurovision Songcontest 2001 ist das Stadion mit einem ausfahrbaren Dach ausgestatte worden. Gespielt wird auf Naturrasen. 
Üblicherweise gehen 3000 Tickets an den verhassten Rivalen. Für die dieses Spiel reduzierte der FC Kopenhagen aber das Kontingent auf 1900. Zudem wurden für den Oberrang gegenüber keine Karten verkauft.
Meine anfänglichen Bedenken, dass sich beide Fanszenen noch einiges für die kommenden zwei Begegnungen aufsparen würden, wurden spätestens beim Einlaufen der Mannschaften weggeblasen. Im Gästeblock wurde ein Pappenmuster in den Vereinsfarben Blau und Gelb hochgehalten, in der Mitte eine große Blockfahne mit dem BIF-Logo, ein kerniges Spruchband mit der simplen Botschaft: „Kämpfen für Bröndby!“, dazwischen Folienfähnchen und zahlreiche Bengalen. Auch zwei Leuchtspuren segelten auf den Platz und La Bombas explodierten vorm Block.
Auf der Gegenseite zeigte die Sektion 12 eine absolut gelungene Choreographie. Im Unterrang gab es dazu ebenfalls Pappen in blau und schwarz, wobei Platz für die Buchstaben F, C und K gelassen wurde. Nun wurden die Buchstaben abwechseln mit weißen Folienschals gefüllt. Beim Wechselgesang mit der Tribüne kamen dann alle drei Buchstaben auf einmal zum Vorschein. Eingerahmt wurde das Spektakel von zwei großen Spruchbändern. „Fußballclub Kopenhagen- dieser Club trägt den Namen der Stadt!“ Für Idee und Umsetzung kann es an dieser Stelle nur Bestnoten geben.
Etwas befremdlich fand ich die Tatsache, dass Bröndbys Fanszene gänzlich auf Gruppen- bzw. Zaunfahnen verzichtete. Kennt man irgendwie so nicht und stimmt etwas nachdenklich.












Im Gästeblock wurde derweil das Spruchbanner nach vorne weggeklappt und hinter einer gelb blauen Folienbahn wurden massiv Fackeln in der ersten Reihe gezündet. Was für ein gelungener Auftakt in dieses spannende erste Halbfinale. Auch die gesangliche Unterstützung war auf beiden Seiten bis auf wenige Hänger absolut gut bis sehr gut. Die Sydsiden Bröndby über das gesamte Spiel mit ordentlichem Fahneneinsatz und melodischem Dauersupport, welcher immer wieder von viel Bewegung und brachialen Schlachtrufen gepusht wurde. Da war echte Leidenschaft und Fanatismus zu spüren. Die Trommelrhythmen ließen auch kaum Wünsche offen. Im Unterrang der Gegengrade wurde durchgehend gestanden, was auch sehr sympathisch war. Auch hier wurde gepöbelt und mitgesungen- richtig geile Fußballatmosphäre also. Die Heimseite überzeugte mit lauter Anfeuerung und extrem hoher Beteiligung beim Hüpfen und beim Armeinsatz. Schwenkfahnen in verschiedenen Größen sorgten für eine dynamische Optik. Auf dem Rasen wurde sich ebenfalls nichts geschenkt und so sahen die 20 600 Zuschauer ein kampfbetontes Spiel, in welchem die Gäste nach einer knappen halben Stunde zur verdienten Führung einnetzten. Es folgte ein richtig hemmungslos geiler Torjubel, bei welchem die Fanatiker ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne stürmten, teilweise hart über die Sitzschalen stürzten und im Fangnetz hingen. Untermalt natürlich vom Licht weiterer Pyrotechnik.
Das war auf keinen Fall ein wertloses skandinavisches Plastikderby, bei welchem alles nur hübsch inszeniert und aufgesetzt ist. Diese Emotionen und der Hass auf den Gegner waren echt. Das sollte sich im weiteren Verlauf auch noch bestätigen.
Seltsam war allerdings, dass sich einige Ultras der Sydsiden ihre Sturmhauben mal aufsetzten und zwischendurch wieder in die Tasche steckten. Das bringt nichts, wenn man beispielsweise in der ersten Reihe steht und als einziger einen grauen Pullover trägt. Hierzulande würde sich die Fanszene nach Auswertung der Videos aus den Überwachungskameras sicher mindestens 30 neue Stadionverbote einhandeln.
Bröndby konnte die Führung jedenfalls in die Pause retten und wir hatten kurz Zeit zum Durchatmen. Zum Start in Hälfte zwei wurde im Gästeblock in vorderster Reihe eine abartige Menge gelber Rauchkerzen gezündet. Die Gegenseite wurde in ein Meer aus glitzernden Folienfähnchen verwandelt. Kurze Zeit später Knackte es und verteilt im gesamten Block leuchteten etwa 40 rote Bengalos auf. Es folgte ein ordentliches Gesangsduell, welches sieben Minuten vor Ende der Partie in einen weiteren orkanartigen Jubel mündete. Dieses Mal war es der Gastgeber, welcher nicht nur im Ultrablock von Sektion 12 und Urban Crew richtig ausstickte. Der Ausgleich war gefallen und wir standen mitten im Bierbecherregen. Das ist Fußball und einer dieser kostbaren Momente, welche wieder alle Strapazen einer solchen Tour rechtfertigen! 




























Das Spiel endete Unentschieden und auf den Rängen mit einem knappen Sieg für Bröndby. Beide Szenen brauchen sich im europäischen Vergleich sicher nicht verstecken und sind in Dänemark ohne ernstzunehmende Konkurrenz unterwegs. Ich musste feststellen, dass die Szenen beider Vereine sich seit meinem letzten Besuch deutlich weiterentwickelt haben. Im Gästeblock war zumindest optisch die Hälfte der aktiven Fanszene zuzuordnen. Die ersten Reihen konnten mit ordentlichen Kanten und einem recht guten Altersschnitt punkten.
Beim Verlassen des Spielfeldes ließen sich die FCK- Spieler dann etwas zu viel Zeit, was einige Bröndby- Fanatiker auf die Palme brachte. Im Griechenstyle wurde Richtung Spielertunnel gestürmt und allerlei Wurfgeschosse hagelten auf Spieler und Ordner. Auch Holzfahnenstangen und Sitzschalen wurden geworfen. Als sich dann noch etwa 20 Kopenhagen- Lads gestenreich auf der angrenzenden Tribüne bemerkbar machten, klinkten die Kunden richtig aus. Ein Zaun wurde überwunden und der erste Kämpfer stand unvermummt auf dem Spielertunnel. Die Heimseite ließ sich von den Ordnern vertreiben und ein übermotivierter Bröndby Mob drehte gut am Rad. Ein kleines Feuer wurde noch gelegt, bevor alle zügig den Block verließen.
Als wir draußen hinter dem Gästeblock auf dem Weg zu unserem Auto waren zeichnete sich bereits weitere Bambule ab. Lediglich durch provisorische Bauzäune getrennt tauschten beide Seiten noch Nettigkeiten aus und in der Parkanlage war ordentlich Bewegung auszumachen. Die ersten Zaunelemente lagen schnell am Boden, ebenso wie zwei „Bröndby – Störer“, welche äußerst brutal von der Polizei gefällt wurden. Ungeachtet dessen machte sich der Hauptmob im Hintergrund Startklar, ohne sich an den Bullen abzureagieren. Wir schafften es grade noch so in die Tiefgarage zu kommen, bevor der erlebnisorientierte Teil das eingezäunte Areal Richtung Straße verließ. Nun standen wir mit deutschem Autokennzeichen mitten zwischen Polizei und rennenden Mobs. Uns blieb nichts Anderes übrig, als darauf zu warten, dass die Krawalle sich von uns weg bewegten. Auf der Straße ging es noch einige Zeit hin und her und als wir endlich fahren konnten war die Straße übersät von Glassplittern und anderen Gegenständen.
Die Anhängerschaft beider Vereine lebt eine wirklich gesunde Rivalität und das Stadtderby in Kopenhagen gehört zu den Topspielen in Europa!
Beschwingt von dem erlebten Wahnsinn gingen die ersten Kilometer noch gut von der Hand bevor es irgendwo hinter Flensburg dann richtig anstrengend wurde. Nach mehreren Fahrerwechseln erreichten wir die Heimat um vier Uhr in der Früh. Noch ausreichend Zeit für ein kurzes Schläfchen, bevor ich topfit meinen Sohn in den Kindergarten brachte und einen lockeren zehn Stunden Arbeitstag wegmachte. Für so ein Spiel immer wieder!


Im Nachgang wurde als Konsequenz aus den Ausschreitungen das Karten- Kontingent für Bröndby nochmal auf 1300 für Bröndby reduziert. Außerdem gab es ein Verbot für sämtliches Tifomaterial einschließlich Trommeln und Megaphone. Als Reaktion gab es einen kompletten Boykott der Sydsiden für das folgende Ligaspiel. Alle 1300 Tickets wurden von Bröndby IF an den FC Kopenhagen zurückgegeben. Ungeachtet dessen zeigte sich die Fanszene des FC wenig solidarisch und feierte sich mit einer großen Choreographie zum 10jährigen Jubiläum der Sektion 12 selber.

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